

Zum fünften Mal präsentiert die Kölner Liste zeitgenössische Kunst zu erschwinglichen Preisen. Als Entdeckermesse parallel zur Art Cologne hat sich die Kölner Liste inzwischen fest etabliert. 2018 zeigen 108 Aussteller aus 20 Ländern auf 4000 Quadratmetern in der XPOST ein breites Spektrum an Kunst in den unterschiedlichsten Genres und Medien. Das einzigartige Konzept der Messe besteht aus einer Mischung von Galerien, Projekträumen und Künstlern, die es Besuchern und jungen Sammlern ermöglicht, in entspannter Atmosphäre topaktuelle, neue Positionen abseits der bekannten, immer gleichen Namen zu entdecken.

Kölner Liste 2018 – Discoveryartfair
Die auf der Kölner Liste präsentierten figurativen Bilder von Cesar Piette nehmen Bezug auf die klassische Malerei und Ikonen der Kunstgeschichte, reinterpretieren diese jedoch auf zeitgenössische Weise. Mit Anklängen an Minimalismus, Abstraktion und Pop Art scheinen seine Figuren direkt den Pixar Studios entsprungen, wobei sie durch ihren Plastiklook und ihren spielzeugartigen Charakter Vorbilder wie Ingres, Courbet, Matisse oder Léger auf ironische Weise karikieren. „High“ und „Low“ verschmelzen bei Cesar Piette, in seinen Bildern entwirft er eine Vision des menschlichen Körpers, der aus anorganischem Material geformt ist und durch die eingefrorene Emotionslosigkeit seiner Charaktere auch die Auswüchse des Schönheitswahn sowie der physischen Selbstoptimierung in Frage stellt.
Cesar Piette entwirft seine Figuren mit einer 3D-Software und führt sie dann auf Holztafeln mit Airbrush aus, wobei er einem Arbeitsprozeß folgt, der auf den traditionellen Prinzipien der klassischen Malerei basiert. Dünne Lagen aus Airbrush-Farbe, sowie die Kombination aus Malerei und Untermalung erzeugen eine glatte Oberfläche, deren Licht wie bei der Lasurmalerei durch die Farbschichten hindurchschimmert und zugleich an einen Computer Screen erinnert. Bei genauer Betrachtung lassen sich feine Pinselstriche und kleine Unregelmäßigkeiten im Farbauftrag erkennen, die die Bilder zwischen digital und analog oszillieren lassen. An der Grenze zwischen Malerei, Spielzeug-Fotografie und dem Ausdrucken von 3D-Renderings untersucht Cesar Piette die Frage, wie wir heute Bilder konsumieren und die Grundprinzipien der Kunst wahrnehmen.



Kölner Liste 2018 – Discoveryartfair, Cesar Piette
Lucie Kazdas Bilder kreisen um die taktile Erfahrung von Oberflächenstrukturen, die die Grenze zwischen illusionistischer Landschaftsdarstellung und innerer Seelenlandschaft ausloten. Mittels Frottage überträgt Kazda Strukturen, die sie in der Natur vorfindet, mit Ölfarbe auf Transparentpapier und erzeugt so atmosphärische Stimmungen sowie Krustationen abstrahierter geologischer Formationen, die ein Déjà-vu real erlebter Landschaften beschwören. Ihr wichtigstes Medium ist das Transparentpapier, ein Material, dessen Vorläufer, das Pergament, eng mit der Entwicklung der menschlichen Kulturgeschichte verbunden ist. Das Transparentpapier wirkt wie eine Membran, die das Licht filtert, um die darunterliegenden Farbschichten zu entmaterialisieren und mit einer Aura aus milchigem Licht zu verrätseln.
Wie die Werke Lucie Kazdas auf der Kölner Liste zeigen, werden die Grenzen zwischen bewußter Wahrnehmung, kollektiver Erinnerung und Wachtraum durch die subtile Schichtung der Bildelemente und die Auflösung ihrer Konturen aufgehoben. Einige ihrer Bilder entwickeln sich durch die Überlagerung von Fotografien, die durch Reduktion verdichtet und durch die darüberliegenden opaken oder lasierenden Schichten aus Ölfarbe transformiert werden. Die visuellen Grenzen der Bildelemente werden durch Lucie Kazdas Prinzip der Schichtung aufgelöst, während zugleich neue Grenzen konstruiert und darüber projiziert werden. Ihr Prozeß der Bildfindung beginnt bevorzugt mit dem Quadrat, der abstraktesten Metapher für ein Fenster in eine andere Welt, dessen Flächenraum weder nach oben noch in die Breite strebt, um eine Horizontlinie herauszubilden, sondern in die Tiefe. Der Mittelpunkt des Quadrats bildet ein visuelles Kraftzentrum, eine innere Lichtquelle, wie der Blick auf eine Milliarden Jahre alte Supernova.



Kölner Liste 2018 – Discoveryartfair, Lucie Kazda
Für junge Kunstsammler bietet die Kölner Liste den idealen Einstieg in die Welt der Kunst und die Möglichkeit, Kontakte mit Künstlern zu schließen.
Der aus Toronto stammende Berliner Künstler Peter Wilde untersucht in seiner figurativen Malerei die Qualität menschlicher Beziehungen und die Veränderungen, denen sie im digitalen Zeitalter unterworfen sind. Sein Werk ist bestimmt von der Frage, inwieweit im anonymen Netz Individualität von Personen noch erfahrbar ist und eine emotionale Beziehung zu ihnen aufgebaut werden kann. Um die Virtualität dieser Charaktere mit der Realität seiner analogen Malerei zu konfrontieren, sucht er in Chatrooms und sozialen Medien nach Vorlagen für seine Bilder. Die Grenzlinie zwischen Voyeurismus und Exhibitionismus bildet die Grundlage für Wildes Bildthemen, verbunden mit der Frage, wie Intimität und Menschlichkeit durch die Veröffentlichung auf sozialen Plattformen, und damit durch die Sehnsucht nach menschlichem Kontakt zerstört werden.
Die Fragilität dieser Pseudo-Verbundenheit mit Fremden aus dem Netz erzählt die Geschichte einer kulturellen Entfremdung, die durch Selbstdarstellung, Fremdschämen und dem öffentlichen Betteln um Anerkennung geprägt ist. In seiner auf der Kölner Liste präsentierten Bilderserie World View hat Peter Wilde aus Instagram Postings Bildfragmente herausgefiltert, die nur zufällig oder als Bildhintergrund zu sehen sind bzw. von ihren Urhebern nur als unvermeidlicher Beifang aufgenommen worden sind. Mit dieser Umkehrung von Motiv und Hintergrund dreht Wilde die Bildaussage um und stellt so den Zweck der Selbstdarstellung in Frage, das virtuelle Ich geht im Bildrauschen des Informationsoverkills unter.
Das Verhältnis zwischen Schärfe und Unschärfe definiert den Grad der Persönlichkeit der dargestellten Person sowie das Maß an Empathie, das man für sie empfinden kann. Die im Hintergrund nur unscharf sichtbaren Figuren und ihre Handlungen bleiben abstrakte Stereotypen, da ihre Identifizierung und somit die emotionale Verbundenheit mit ihnen immer mißlingt, so sehr sich der Betrachter auch bemüht, den von Peter Wilde bewußt angewandten digitalen Impressionismus scharfzustellen. In der Aneignung fremder Bildinhalte und der mit malerischen Mitteln erzielten Unschärfe der Figuren steht Wilde in der Tradition von Luc Tuymans oder Gerhard Richter. Wenn die Serie World View einmal vollendet sein wird, werden Instagram Postings aus allen Ländern der Erde die Nebensächlichkeiten und übersehenen Helden des Alltags gegenüberstellen und die eindringliche Frage nach kultureller Identität stellen. Mit A beginnend ist Peter Wilde jetzt beim Land mit dem Anfangsbuchstaben I angekommen.



Kölner Liste 2018 – Discoveryartfair, Peter Wilde
Sandra van der Meulens Arbeiten stellen eine Synthese aus fernöstlicher Philosophie und westlicher Ästhetik dar. Auf der Kölner Liste zeigt sie farblich reduzierte Bilder mit großflächigen abstrakten Tuschelavierungen auf Reispapier als prägendem Element, die dem Geist des Zen-Buddhismus verpflichtet sind. Der spontane Pinselstrich entspricht dem meditativen Moment der Leere und der Vergänglichkeit. Der japanische Begriff Wabi Sabi, also die Schönheit des Imperfekten sowie die Impermanenz und Unvollendetheit der Dinge spielen dabei eine große Rolle, was sich in den nuancierten Zwischentönen der lavierten Tusche und der Verletzlichkeit des Reispapiers widerspiegelt. Sparsam eingesetzte oxidierte Metalle und Holzelemente ergänzen ihre Kompositionen mit vergänglichen Materialien.
Dieser fernöstlichen Tradition stellt Sandra van der Meulen die westliche rationale Herangehensweise unter Verwendung präziser geometrischer Elemente gegenüber. Die Balance dieser beiden ästhetischen Weltbilder ist für ihre Arbeit essentiell. In transparenten Schichten überlagern sie sich gegenseitig und gehen einen Dialog ein, der den Fragen der menschlichen Existenz auf den Grund geht. Die Flächigkeit van der Meulens großformatiger Arbeiten wird akzentuiert durch graphische Elemente wie Fäden, deren Unregelmäßigkeit mit den geometrischen Feldern des Reispapiers kontrastiert, sowie sowie verblasste Textfelder, die für das westliche Denken stehen, zugleich aber die Auflösung von Wörtern und Bedeutungen hin zur zen-buddhistischen Leere und Erleuchtung symbolisieren.


Kölner Liste 2018 – Discoveryartfair, Sandra van der Meulen
Bei der Kölner Liste geht es nicht um Spekulation und Status, sondern um Authentizität und Innovation.
Licht und Farbe charakterisieren das Werk von Zheni Maslarova Warner. Mit ihrer ungewöhnlichen Technik verwandelt sie klassische Ölfarbe in entmaterialisierte Farbprismen, die den Betrachter durch die Lebensfreude, die sie ausstrahlen, in ihren Bann ziehen. Durch ihren subtilen Farbauftrag schafft Zheni einen spannenden Kontrast zwischen matten Oberflächen und transparenten emailartigen Glasuren, deren Leuchtkraft an gotische Kirchenfenster erinnern. Die expressiven Farbharmonien von Henri Matisse werden in Zhenis Werk sichtbar, seine rhythmischen Farbformen der Jazz Serie hat Zheni weiterentwickelt zu einer Farbfeldmalerei, die die Farbe völlig abstrakt interpretiert, sie zugleich aber mittels Farbformen konkretisiert und ihr durch ihre Leuchtkraft eine körperliche Präsenz verleiht, sie regelrecht in Leuchtkörper transfiguriert.
Auf der Kölner Liste zeigt Zheni Warner Bilder, die sich an der Grenze zwischen klassischem Leinwandbild und Lichtinstallation bewegen, durch den Einbau von Leuchtkästen, Neon und Leuchtdraht erhalten ihre strahlenden Farben zusätzliche Spannung und Tiefe, die den Betrachter in die Bilder hineinziehen. Dabei wechseln ruhige, geometrische Farbflächen mit freien organischen Formen ab. Die geometrischen Felder folgen wie in der barocken Gartenkunst verborgenen architektonischen Kraftlinien, die die Natur bändigen und die an Blüten erinnernden sichtbaren Pinselstriche und Strukturen in die Komposition einfügen.
Wie funkelnde Diamanten, die unter der kristallklaren Wasseroberfläche in der Bucht von Collioure liegen, wo Zheni ein kleines Atelier besitzt, wirken ihre abstrakten Farbformen unter der emailartigen Oberfläche der vielen transparenten Lasuren aus Harz. Die Poesie der Farbe wird gesteigert durch die Titel der Bilder, Zitate aus lyrischen Werken, die nicht wortwörtlich verstanden werden wollen, sondern spontane Stimmungen wiedergeben und den Betrachter auf eine poetische Reise schicken. Vor Zhenis Bildern zu stehen ist, als ob man ein Gedicht von Paul Éluard durch ein Kaleidoskop betrachtet.



Kölner Liste 2018 – Discoveryartfair, Zheni Warner
Thomas Michel entwickelt seine Bilder mit einer ungewöhnlichen Technik, die er Hydrographie getauft hat. Dabei verwendet er Tusche, die er auf Folie aufträgt und trocknen läßt. Durch den Trocknungsprozeß entstehen Spuren der Verdunstung, Sedimentationen der Tuschepigmente, die die Kräfte des flüssigen Aggregatzustands sichtbar machen. Die dabei erzeugten Bilder folgen dem Prinzip des gelenkten Zufalls, Thomas Michel beruft sich deshalb auf das von André Breton entwickelte automatische Schreiben, bei dem jegliche Kontrolle durch die Ratio ausgeschaltet wird und so in den Tiefen des Unterbewußtseins verborgene Bilder zum Vorschein kommen.
Von der Literatur wurde dieses kreative Verfahren durch die Künstler des Surrealismus auf die bildende Kunst übertragen, vor allem Max Ernst erfand eine Reihe von Techniken, darunter Collage, Grattage, Frottage und die Dripping Technik, um Bilder des Unterbewußtseins auf die Leinwand zu bannen. Thomas Michels Hydrographien entstehen durch ein ähnliches kreatives Prinzip. Bemerkenswert ist das winzige Format seiner Technik, denn seine Bilder sind nicht größer als ein Diapositiv. Ein Tropfen Tusche reicht aus, um ein Universum aus Strukturen entstehen zu lassen, die zugleich an Mikroorganismen und Landschaften ferner Planeten erinnern. Auf dem Messestand von Phasis auf der Kölner Liste hat er eine Leuchtstele mit einem Originalwerk aufgebaut, die die winzigen Dimensionen dieser Technik demonstriert.
Die sich zu rätselhaften Gebilden formierenden Tuschesedimentationen entstehen nach den gleichen Wachstums- und Transformationsprozessen, wie sie auch in der Natur existieren. Die kleinformatigen Bilder benutzt Thomas Michel dann wie ein Diapositiv, um davon Abzüge in limitierter Auflage herzustellen, Hydrographie bildet sozusagen eine Synthese aus Malerei, Graphik und fotografischen Reproduktionsverfahren. In der Vergrößerung werden feinste Strukturen und nuancierte Farbtöne zwischen Schwarz, Sepia und Weiß sichtbar, die den Bildern eine erstaunliche Plastizität und magische Lichtwirkung verleihen. Manche Gesteinsformationen wirken wie eine Laune der Natur, andere erinnern an menschliche Artefakte. Obwohl der Mensch niemals zu sehen ist, ist er in den Hydrographien von Thomas Michel auf geheimnisvolle Weise immer präsent, wie die Relikte einer längst untergegangenen Zivilisation am Anfang der Schöpfung.


Kölner Liste 2018 – Discoveryartfair, Thomas Michel
20.04.18 – 22.04.18 XPOST Köln